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Die Virusepidemie geht in ihre nächste Phase.
Zwar gehen die Einschränkungen zunächst fast unvermindert weiter, aber die Überlegungen, wie die Maßnahmen gelockert werden können, ohne gesundheitliche Risiken einzugehen, nehmen immer mehr Gestalt an. Die am Mittwoch von der Bundesregierung in Absprache mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer beschlossenen Lockerungen waren nur ein erster Schritt. Aber aus wirtschaftlicher Sicht drängt die Zeit, denn es gilt unbedingt zu verhindern, dass die Therapie größere Schäden verursacht als die Krankheit selbst.
Das Hochfahren der Wirtschaft weltweit in 183 Ländern wird eine der spannendsten Perioden, die es in der Wirtschaftsgeschichte der letzten Jahrzehnte gab. Eine so umfassende Abschaltung gab es nie zuvor. Das führt demnächst zu einem Schnittmuster ähnlicher Art, wie in Deutschland am 05.06.1947. Damals präsentierte der amerikanische Außenminister George C. Marshall das European Recovery Program über 12,4 Mrd. $.
Ein wichtiger Akteur ist derzeit die EU-Kommission. Sie will den EU-Haushalt 2021 bis 2027 nutzen, um einen „Marshallplan“ von 1,5 Bio. € zum Wiederaufbau aufzustellen. Dazu kommen die jeweiligen Maßnahmen der einzelnen Staaten sowie diejenigen der Notenbanken. In Deutschland macht sich Bundesfinanzminister Olaf Scholz von der SPD dafür ebenso stark wie der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Söder. Es geht um Steuererleichterungen sowie dreistellige Milliardeninvestitionen in Gesundheit, Digitales, erneuerbare Energie und Verkehr. Natürlich werden die Staatsschulden explodieren.
Über all dem steht jedoch eine psychologische Komponente, die nicht zu unterschätzen ist - eine Explosion der Lebensfreude. Historische Beispiele für solche Ausbrüche der Lebensfreude kennt die Geschichte zuhauf - gerade nach der überwundenen Bedrohung durch Infektionskrankheiten oder Kriegen. Die Entwicklung aus einer Krise heraus entnimmt ihre Kraft aus dem Optimismus der Menschen, erstens überlebt zu haben und zweitens weiter leben zu können. Das gilt sowohl für reiche wie arme Länder, weil es menschlich ist. Jeder, der die Nachkriegszeit miterlebt hat, kann das bestätigen. Wir rechnen deshalb nicht nur mit massiven Nachholeffekten, sondern auch mit einer neuen Lust auf Konsum. Dazu passt auch die Aussage des Porsche-Chefs Oliver Blume in einem Interview mit der FAZ: „Gerade in Phasen wie diesen entstehen bei den Menschen Träume und Bedürfnisse. Der Bedarf an Sportwagen ist nach der Krise vielleicht sogar höher als vorher.“ Wir sehen das ähnlich und übertragen dies auf sämtliche Bereiche des privaten Konsums.
Der Aktienmarkt nimmt dies vorweg. Auch die Sachverständigen haben Geschichte gelernt: Um 4,2 % dürfte die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr schrumpfen (wir gehen von einer deutlich höheren Schrumpfung aus), wie die fünf führenden Forschungsinstitute in ihrem Frühjahrsgutachten prognostizieren. Im nächsten Jahr schon rechnen sie mit einer Erholung von 5,8 % oder mehr, was wir unterschreiben. Genau das preist der Aktienmarkt bereits ein. Wir wissen aber auch:
Nach 28 % Kurszuwachs im DAX wird die Luft kurzfristig dünner. Sie sollten also weiterhin etwas Pulver trocken halten, um handlungsfähig zu bleiben. Denn Rückschläge technischer, aber auch schlagzeilenbasierter Natur wird es weiterhin geben. Die Stabilisierungstendenzen der letzten Wochen stimmen uns jedoch optimistisch. Die Aktienmärkte laufen dem realen Wirtschaftskreislauf um sechs bis 12 Monate voraus. Das, was Sie demnächst in den Zahlenwerken der Unternehmen präsentiert bekommen, inklusive der Rücknahme aller Ziele für 2020, war bei 8.300 Punkten im DAX eingepreist.
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